Sorgerecht: Elterliche Verantwortung für minderjährige Kinder

Mutter und Vater sind verantwortlich für das Wohl ihres Kindes, bis es volljährig ist. Die elterliche Sorge gewährt den Eltern dabei viele Rechte, es nimmt sie aber auch in die Pflicht.

Mutter, Kind und Vater
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Die Zeit vor, während und nach der Geburt ihres Kindes ist für Eltern meist sehr aufregend. Während die Familie wächst, schießen die Glückshormone in die Höhe. Worüber die wenigsten Eltern in der turbulenten Zeit zwischen Wochenbett und Babywindeln Gedanken verlieren, ist der juristische Rahmen, in dem sie sich nun bewegen. Der umgangssprachlich geläufige Begriff „Sorgerecht“ bezeichnet dabei eigentlich nur die eine Seite der Medaille, die Seite der Rechte. Doch Eltern minderjähriger Kinder haben auch Pflichten, wie die zur Fürsorge.

Daher sprechen Juristen im Familienrecht von der „elterlichen Sorge“, um beide Seiten der Medaille zu berücksichtigen. Der Begriff ersetzt seit 1980 die früher übliche Bezeichnung der „elterlichen Gewalt“. Dieser Ausdruck stammt zwar von „Walten“ – im Sinn eines Sachwalters –, allerdings wurde der Begriff zunehmend mit (unzulässiger) Machtausübung der Eltern assoziiert.

Zusammenfassung: Das Wichtigste rund ums Sorgerecht

  • Bei der elterlichen Sorge stehen die Verantwortung für das Kind und sein Vermögen sowie die Fürsorge- und Erziehungspflichten gegenüber dem Kind im Vordergrund – und nicht die elterlichen Bestimmungsrechte.
  • Das gemeinsame Sorgerecht von Vater und Mutter gilt als Regelfall, auch nach Trennung und Scheidung. Ein alleiniges Sorgerecht (für Mutter oder Vater) gewährt das Familiengericht in der Regel nur bei schwerwiegenden Gründen (wie Gefährdung des Kindswohls).
  • Verheiratete Paare erhalten das gemeinsame Sorgerecht automatisch, unverheiratete nur nach einer gemeinsamen Sorgeerklärung beim Jugendamt oder einem Notar.

Was umfasst das Sorgerecht?

Bei der elterlichen Sorge handelt es sich um ein Grundrecht mit Verfassungsrang, festgelegt im Artikel 6 des Grundgesetzes:

  1. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
  2. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) führt aus, was elterliche Sorge konkret ausmacht. Grundsätzlich umfasst sie zwei Bereiche: die Personensorge und die Vermögenssorge. Darüber hinaus haben Eltern für ihr Kind die Vertretungsmacht gegenüber Dritten.

Personensorge

Das BGB schreibt nicht bis ins letzte Detail vor, wie die elterliche Sorge auszusehen hat. Es umreißt aber die wichtigsten Bereiche, für die Eltern Verantwortung tragen: beispielsweise für das leibliche und seelische Wohl des Kindes, für eine den Fähigkeiten und Neigungen angemessene Schul- und Berufsausbildung oder für die religiöse Erziehung. Im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht müssen Eltern ihr Kind vor Schaden beschützen, aber auch Dritte vor Schäden durch das Kind bewahren.

Großes Gewicht liegt heute auf einem partnerschaftlichen Stil zwischen Eltern und Kind. Dieser gelingt aber nur, so das Online-Familienhandbuch des bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP), „wenn die Eltern dem Kind mit zunehmendem Alter und entsprechend seiner Einsichtsfähigkeit ein Mitspracherecht in Angelegenheiten der elterlichen Sorge einräumen und ihm/ihr die Möglichkeit zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln geben.“ Je älter das Kind wird, desto stärker sollte es daher an Entscheidungen beteiligt werden, zum Beispiel bei der Wahl der Hobbys, der Freizeitgestaltung und – später – der eigenen Ausbildung.

Nicht zuletzt folgt aus dem partnerschaftlichen Ansatz, dass das Kind ein Recht auf gewaltfreie Erziehung hat: „Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ (§ 1631 BGB)

Vermögenssorge

Der zweite Bereich, in dem Eltern verantwortungsvoll handeln müssen, betrifft das Vermögen ihres Kindes. Das sind alle Werte, die dem Kind rechtmäßig zustehen, zum Beispiel Sparbücher und andere Geldanlagen, aber auch Erbschaften oder Einkünfte. Die Eltern stehen in der Pflicht, das Vermögen ihres Kindes bis zu dessen Volljährigkeit sorgfältig und im Sinne des Kindes zu verwalten. Das grundlegende Ziel ist die Vermehrung des Vermögens.

Vertretungsmacht

Der dritte Aspekt der elterlichen Sorge betrifft das Recht der Eltern, ihr Kind bei bestimmten Rechtsgeschäften zu vertreten: Darunter „versteht man die Aufnahme, Änderung oder Aufhebung von Rechtsbeziehungen für das Kind zu Dritten“, so das Online-Familienhandbuch des IFP. „Anders ausgedrückt: die Abgabe oder Annahme von Willenserklärungen oder die Vornahme anderer Rechtshandlungen für das Kind (z. B. Abschluss von Verträgen).“ Auch Anträge bei Behörden oder die Einwilligung zu ärztlichen Behandlungen fallen unter die Vertretungsmacht der Eltern.

Formen des Sorgerechts

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Sorgerechtsformen: das gemeinsame und das alleinige Sorgerecht.

Gemeinsames Sorgerecht

Der Gesetzgeber sieht stillschweigend als Regelfall vor, dass die Eltern des neugeborenen Kindes miteinander verheiratet sind. Sie erhalten dann automatisch das gemeinsame Sorgerecht und tragen nun gemeinschaftlich Verantwortung für ihr Kind. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie in Erziehungsfragen immer einer Meinung sein müssen – aber sie stehen in der Pflicht, bei unterschiedlichen Auffassungen einen Kompromiss zu finden.

Das gemeinsame Sorgerecht erhalten Eltern in der Regel auch dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes nicht miteinander verheiratet sind. Voraussetzung dafür ist:

  • eine Sorgeerklärung (öffentlich beurkundet vom Jugendamt oder Notar) oder
  • eine Heirat unmittelbar nach der Geburt oder
  • eine entsprechende Entscheidung eines Familiengerichts (wenn ein Elternteil die gemeinsame elterliche Sorge beantragt hat).

Die Sorgeerklärung – manchmal auch „Sorgerechtserklärung“ genannt – sollte man nicht mit der Sorgerechtsverfügung verwechseln. Bei dieser handelt es sich um eine testamentarische Willenserklärung. Sie regelt, wer im Todesfall beider Eltern das Sorgerecht erhält.

Alleiniges Sorgerecht

Hierbei steht einem Elternteil allein die elterliche Sorge über das Kind zu. Die Mutter erhält es immer dann automatisch, wenn sie bei der Geburt des Kindes mit dem Vater nicht verheiratet ist und wenn keine gemeinsame Sorgeerklärung der beiden Elternteile abgegeben wurde oder der Vater keine gemeinsame elterliche Sorge beim Familiengericht beantragt hat. Ist bereits zum Zeitpunkt der Geburt die Heirat der beiden Eltern geplant, erhalten sie aber das gemeinsame Sorgerecht.

Auch Väter können unter Umständen auf ein alleiniges Sorgerecht klagen.

Sorgerecht nach Trennung oder Scheidung

Nach einer Trennung oder einer Scheidung hat das gemeinsame Sorgerecht prinzipiell weiter Bestand. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es für die Entwicklung und das Wohl des Kindes wichtig ist, dass sich weiterhin beide Elternteile um die Erziehung kümmern und am Leben des Kindes teilhaben – auch wenn es hauptsächlich bei einem Elternteil lebt und gegebenenfalls weitere Bezugspersonen hinzubekommen hat, zum Beispiel Stiefvater oder -mutter.

Geteiltes Sorgerecht im Alltag

In der Praxis üben beide Ex-Partner das gemeinsame Sorgerecht als „geteiltes Sorgerecht“ aus. Das ist kein juristischer Fachbegriff, bedeutet aber folgendes: Bei grundlegenden Entscheidungen, zum Beispiel wenn es um An- und Abmeldungen von Schulen, Umzüge oder die religiöse Bildung geht, müssen sich beide Eltern einigen (oder gegebenenfalls ein Gericht hinzuziehen). Alltägliche Entscheidungen – wie die Zustimmung zu Klassenfahrten, die Länge von Fernsehkonsum, die Wahl der Bekleidung oder die Festlegung von Schlafenszeiten – darf dagegen derjenige treffen, der das Kind gerade betreut.

Streitfall alleiniges Sorgerecht

Oft passiert es aber auch, dass nach einer Trennung oder einer Scheidung ein Elternteil das alleinige Sorgerecht für das gemeinsame Kind beansprucht. Meist geschieht dies, wenn Streitigkeiten zwischen den Ex-Partnern überhand nehmen und gütliche Einigungen unmöglich erscheinen. Aber: „Wenn einmal ein gemeinsames Sorgerecht erteilt wurde, wird das Familiengericht daran nicht ohne Weiteres etwas ändern“, schreibt das Fachportal Anwalt.org. „Es müssen schwerwiegende Gründe vorliegen, um einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen.“

Das Familiengericht wird in solchen Fällen immer die Lebensumstände des Kindes genau prüfen. Es wird auch die Fähigkeiten der Eltern, ihrem Erziehungsauftrag nachzukommen, unter die Lupe nehmen und die Frage klären, ob das Kindeswohl gefährdet ist. Bei einer Bedrohung des leiblichen und seelischen Wohls, zum Beispiel durch körperliche oder psychische Gewalt, oder wenn die Gefahr besteht, dass ein Elternteil mit dem Kind ins Ausland flieht, kann das Familiengericht dem betreffenden Elternteil das Sorgerecht entziehen und allein dem anderen Elternteil übertragen.


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